TRIBÜNE

Im Sonderzug nach Nürnberg

Ein Gesamtkunstwerk

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Von der euphorischen Abfahrt im legendären Sonderzug bis zur triumphalen Rückkehr: Höhen und Tiefen einer mitreißenden Auswärts­tour, gefüllt mit bedingungslosem Engagement, chaotischer Partystimmung und unvergesslichen ­Momenten.

Text: Pascal Hargens Fotos: Förderkreis Nordtribüne

Freitag, 22.30 Uhr: Ich verlasse meine Wohnung und checke noch mal meine Siebensachen – Schal, Ticket? Alles dabei! Positiver Aspekt der Abfahrtszeit zum dieswöchigen Auswärtsspiel beim 1. FC Nürnberg: Ich muss mir vorher gar nicht erst den Kopf zerbrechen, ob ein bis zwei Stunden Schlaf überhaupt noch drin sind – dafür wird am Sonntag noch genug Zeit bleiben. Nun steht erst mal eine weitere 24-Stunden-Tour in den Süden an, und das mit dem besten Fortbewegungsmittel, mit dem ein Fan eine Auswärtstour meiner Meinung nach antreten kann: dem Fußball-Sonderzug!

Freitag, 23.30 Uhr: Treffen mit allen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern am Bahnhof in Hamburg-Harburg. Hier startet der Rautenexpress und hier wird der Grundstein für eine erfolgreiche Fahrt gelegt. Zuallererst erhalten alle Helfenden ihre Ausstattung in Form von Westen, Pullovern oder ­T-Shirts. Damit sind sie im Zug für alle Mitfahrenden klar zu erkennen. Dann wird der Lkw geöffnet und die ersten Paletten, Kisten und Fässer werden ausgeräumt und Richtung Abfahrtsgleis gebracht. Der Zug steht dieses Mal sogar schon am Gleis und kann direkt beladen werden.

1000 HSV-Fans auf dem Gleis zusammen durch die Republik

Samstag, 0.05 Uhr: Viele der insgesamt­ ­heute 930 mitfahrenden HSVer:innen sind bereits am Bahnhof angekommen. An der Treppe zum Gleis steht SC-Ordnungspersonal, das die Sonderzugtickets checkt und mit der notwendigen Ruhe die Bändchen verteilt. Ruhe ist hier das höchste Gut, denn mittlerweile gleicht der Harburger Bahnhof dem Hauptbahnhof zur besten Rushhour. Dazwischen verladen fleißige Fans weiterhin die Getränke vom Bahnhofsvorplatz Richtung Zug. Die Zugtüren sind zu Beginn noch von Ordnungspersonal versperrt. Im Zug werden in allen Waggons und Abteilen Flyer und Zettel verteilt, die die wichtigsten Hinweise und Infos zur Tour enthalten.

Samstag, 0.20 Uhr: Die Türen werden geöffnet und die Leute, die bereits am Gleis sind, können den Zug nun entern. Währenddessen läuft die Arbeit in dem Bar- und Tanzwagen auf Hochtouren: Nach Prüfung der Zapfanlage werden die ersten Fässer angeschlossen und die Bar wird mit allerlei Leckereien in fester und flüssiger Form bestückt. Die DJs bauen zeitgleich ihr Equipment auf und stellen damit sicher, dass allen Mitfahrenden hier heute gehörig eingeheizt werden kann.

Samstag, 1.15 Uhr: Der Zug rollt! Zwölf Passagierwaggons und zwei Partywagen. Knapp 1000 HSV-Fans auf dem Gleis zusammen durch die Republik – ein geiles Gefühl. Alle ehrenamtlichen Ordner:innen, das Barpersonal und die Mitarbeiter:innen des Security-Dienstes versammeln sich in einem der Barwagen. Es gibt eine kurze Einweisung, worauf heute zu achten ist, und die letzten Fragen werden geklärt. Im Anschluss verteilt sich der Kreis: Während die einen noch etwas mit ihren Freund:innen im Abteil klönen können, ist die erste Barschicht hinter den Tresen bereits dabei, frisches Bier zu zapfen. In den Waggons werden nun noch mal die Bänder und das im Zug herrschende Glasflaschenverbot kontrolliert. Die fliegenden Händler:innen statten sich mit reichlich Dosenbier aus und starten ihre erste Tour durch den Zug.

Schon am Vorabend fährt der Zug in Hamburg-Harburg los

Samstag, 2.40 Uhr: Nachdem sich alle in den Abteilen und Waggons eingerichtet haben, füllen sich der Bar- und der Tanzwagen zusehends. Die ersten Fässer sind leer und müssen gewechselt werden. Partywagen 1 fragt nach Wechselgeld. Ich mache mich von Partywagen 2 mit einem Becher voll Münzen auf den Weg und bringe gleich noch die Kaffeefilter und die Müllbeutel mit, die im Barwagen verzweifelt gesucht werden.

Samstag, 4.10 Uhr: Während sich der gemeine Spießbürger im Tiefschlaf befindet, ist die Stimmung im Sonderzug nach circa drei Stunden Fahrt auf einem ersten Höhepunkt. Beide Barwagen sind proppenvoll und die zweite Barschicht ist ordentlich am Rotieren, um die durstigen Kehlen bestmöglich zu versorgen.

Samstag, 9.43 Uhr: Ankunft in Nürnberg. Bei Einfahrt in den Hauptbahnhof geben Hunderte HSVer:inne naus den Fenstern lehnend mit einem gellenden „Auswärtssieg“ direkt die heutige Marschrichtung vor. Der gefühlt kilometerlange Zug stoppt, und fast 1000 HSV-Fans strömen auf den Bahnsteig. Im Zug werden die letzten Vorkehrungen getroffen: Fenster geschlossen, Wertsachen gesichert und die Kassen geleert. Während des Spiels wird der Zug zwischengereinigt.

Samstag, 15.30 Uhr: Mit einem 2:0-Auswärtssieg in den Taschen geht es per pedes sowie mit Sonder-U-Bahn zurück zum Nürnberger Hauptbahnhof. Der Zug steht bereits am Gleis, und nachdem sich der ein oder die andere am Bahnhof noch mit Essen und Getränken eingedeckt hat, ist der Sonderzug auch für die kommenden circa neun Stunden wieder unser Zuhause. Der Zustand des Zuges wird einmal zwischengecheckt, die Bar aufgefüllt und sich mit dem Bahnpersonal ausgetauscht.

Samstag, 16.44 Uhr: Der Zug rollt wieder zurück Richtung schönster aller Hansestädte. In einem Barwagen versammeln sich nochmals alle Unterstützer:innen, ohne die ein reibungsloser Ablauf auf der Rückfahrt nicht möglich wäre. Einige Leute machen sich zudem im Anschluss auf, um für die nächsten geplanten Choreos Spenden zu sammeln.

Die Stimmung im Tanzwagen ist seit Stunden am Kochen

Samstag, 17.54 Uhr: Nach dem gelungenen Hinrundenabschluss füllt sich der Barwagen wieder relativ schnell. Ein Umstand, der auch zukünftigen Sonderzügen zugutekommt: alle Umsätze, die im Sonderzug an der Bar und bei den fliegenden Händler:innen des SC gemacht werden, fließen in die Finanzierung zukünftiger Züge!

Samstag, 21.30 Uhr: Die Stimmung im Zug und insbesondere in den Tanzwagen ist seit Stunden am Kochen. Die DJs heizen dem Mob jetzt richtig ein, die Nebelanlage im Technowagen läuft auf Hochtouren und im Schlagerwagen folgt ein Pogo auf den nächsten. Auf dem Weg von einem in den anderen Tanzwagen kommt mir ein Weihnachtsmann in voller Montur entgegen, der „Geschenke“ in den Abteilen verteilt.

Sonntag, 0.35 Uhr: Nach gut 24 Stunden sind wir wieder dort, wo wir am Freitag gestartet sind: Bahnhof Harburg. Für manche nach den vielen Stunden verzweifelt herbeigesehnt, für andere noch viel zu früh. Während der Großteil der Mitfahrenden den Heimweg oder wahlweise den Weg in die nächste Kneipe antritt, packen Dutzende Helfer:innen an, um die Barwagen wieder auszuräumen. Zahlreiche Fässer, größtenteils natürlich leer, was das Ausladen etwas einfacher macht, werden zurück auf die Hubwagen gehievt und in den Lkw vor dem Bahnhof Harburg geladen.

Der Tanzwagen ist während der gesamten ­Sonderzugfahrt stets gut gefüllt

Sonntag, 1.15 Uhr: Der Zug ist ausgeräumt und alles wieder verladen. Als Bahnverantwortliche checken wir den Zug zusammen mit dem Bahnpersonal und lassen Schäden direkt protokollieren. Der Zug sieht natürlich genau so aus, wie man es sich vorstellt, wenn beinahe 1000 HSV-Fans für knapp 20 Stunden durch die Republik fahren, aber größere Schäden sind zum Glück nicht auszumachen.

Sonntag, 2.30 Uhr: Nach nicht ganz, aber fast 1000 Meilen für den HSV und gut 28 Stunden stehe ich wieder vor meiner Haustür und kann es kaum erwarten, nach einer Dusche direkt in die Koje zu fallen.

Ein geiler Tag mit vielen Freund:innen, bedingungslosem Engagement für unseren Verein und zahlreichen neuen Anekdoten und Geschichten.

Mit dem HSV-Sonderzug quer durchs Land – eine Reise, die jeder HSV-Fan mindestens einmal im Leben mitgemacht haben sollte! Zu Risiken und Nebenwirkungen wenden Sie sich an den HSV Supporters Club. |