SPIELFELD

HSV-Frauen

Svea Stoldt in Aktion für den HSV gibt sie auf dem Platz alles.

Foto: Witters

Text: Alexander Nortrup

Die Überzeugungstäterin

Wie man bis zur letzten Minute an einen Sieg glaubt, wie ein Team gemeinsam auch größte Widerstände überwindet das kann bei den HSV-Frauen eine 19-Jährige mit erstaunlicher Willenskraft vermitteln. Svea Stoldt ist jung, aber für den Aufstieg eine wichtige Kraft.

Von den ersten Spielen mit den Jungen bis zum HSV – Svea Stoldts Weg war immer von harter Arbeit geprägt.

Foto: Witters

Dieses Spiel im Volkspark, wo normalerweise die HSV-Herren ihre Heimspiele austragen und Svea Stoldt seit ihrer Kindheit dabei ist, hat sie schon sehr beschäftigt. „Wochenlang konnten wir die Ticketverkäufe beobachten, haben auf Sky die Werbung für unser eigenes Spiel gesehen. Das war schon irre“, sagt die Nummer 8 der HSV-Frauen. Fast 17.000 Menschen, die ein Frauen-Pokalspiel live im Stadion sehen wollen – das ist nicht üblich. Auch wenn die Hoffnung ist, dass es häufiger so wird.

Aktuell ist es eines von vielen Matches eines Teams, dessen Kurve steil nach oben zeigt. Von der Regionalliga ging es in die zweite Liga, nun womöglich weiter in die erste Liga, zudem ins Pokalhalbfinale. Und Svea Stoldt, die zentrale Mittelfeldspielerin, ist mittendrin bei den HSV-Frauen.

Die 19-Jährige ist zwar jung – aber durch ihre internationale Erfahrung eine ganz wichtige Stütze. Mit 14 Jahren spielte sie ihr erstes Länderspiel, 2022 gewann sie mit der U-17-Nationalmannschaft das EM-Finale gegen Spanien. Ihr Team hatte bis zur achtzigsten Minute zurückgelegen. „Dann haben wir ausgeglichen und sie im Elfmeterschießen geschlagen“, sagt Stoldt, die selbst einen Elfer verwandelte. Dabei, erzählt sie, habe sie gelernt, mit voller Überzeugung bis zur letzten Minute dabeizubleiben: „Immer daran zu glauben, dass noch etwas geht – das habe ich beim Nationalteam gelernt.“

Auch ein Spiel gegen Österreich in der EM-Quali habe sie geprägt. Bis zur sechzigsten Minute stand es 0:2, ein Sieg war zwingend, um beim Turnier dabei zu sein. „Dann haben wir innerhalb weniger Minuten drei Tore geschossen, am Ende alle gejubelt und uns sehr gefreut.“ Widerstände überwinden, auch in der neunzigsten Minute noch ein Tor schießen – die heute 19-Jährige besitzt enorme mentale Stärke. „Ich nutze das gern, bin laut auf dem Platz und will so zeigen: Wir können das noch schaffen!“, sagt Stoldt.

Ob im HSV-Trikot oder für den DFB, Svea Stoldt zeigt vollen Einsatz.

Fotos (2): Fernando Santamaria Ortiz

In der Nationalelf messen sich die Besten

Die 19-Jährige aus Wentorf im Südosten Hamburgs gehört zu einem Team, in dem die Altersspanne von 17 bis 32 Jahre reicht: Manche gehen noch zur Schule, andere studieren, wieder andere arbeiten neben dem Fußball in anderen Jobs. Stoldt hat die Schule abgeschlossen, lebt noch zu Hause und ist darüber sehr glücklich: „Meine Familie unterstützt mich total.“ Zum Training in Norderstedt – einmal durch die ganze Stadt – fährt die die Fußballerin je nach Verkehrslage mit Bahn oder Auto. Vormittags hilft sie gern zu Hause mit Einkäufen, verbringt Zeit mit ihren Brüdern und geht täglich ein paar Runden mit dem Familienpudel.

Verletzungspech, Plan B nach der Karriere – womöglich wäre es aus manchen Gründen klug, ein Leben ohne Fußball zu planen. Allein, sie muss es gerade gar nicht: „Es macht mir so viel Spaß mit den Mädels, mit der Mannschaft.“ Ein Studium könnte sie sich vorstellen, und weil sie den Sport so sehr liebt, vielleicht Management oder Sportwissenschaft: „Aber da lasse ich mir noch ein wenig Zeit und schaue, was zu mir passt.“

Bis 2020, als 15-Jährige, hat die Mittelfeldstrategin mit Jungen zusammengespielt, erst beim HSV wurde es ein reines Frauenteam. „Jungs sind athletischer und robuster, da ist es schwieriger, mitzuhalten“, sagt sie. Später wird es härter, musste sie lernen: „Ich musste dann eben auch noch mehr geben und zeigen, und das habe ich auch sehr lange gemacht. Das hat mich sehr geprägt.“

Geprägt haben die noch junge Spielerin auch bereits erstaunlich viele Länderspiele: „Diese Erfahrungen waren wichtig“, sagt sie. „Ich war mit der Nationalelf schon in vielen Ländern, man kann sich mit den Besten messen, etwa gegen Spanien und viele Spielerinnen von Barcelona. Das bringt dich enorm weiter.“ Die U-17-EM hat sie mit ihrem Team in Bosnien gespielt, später die WM in Indien. „Ich konnte durch den Fußball schon so viele Kulturen und Leute kennenlernen. Dafür bin ich unglaublich dankbar.“

„Ich bin körperlich stark“

Die blonde junge Frau mit dem Pferdeschwanz ist im Gespräch eher zurückhaltend, auf dem Platz aber laut: „Ich mag es, meine Mitspielerinnen zu coachen und Kommandos zu geben. Dann sehen die anderen, dass sie sich auf mich verlassen können.“ Sie habe das schon immer gemacht: „Von meiner Position etwas weiter hinten sieht man das Spiel einfach gut.“ Beim HSV ist sie inzwischen im Teamrat und dritte Kapitänin.

Immer besser werden, das ist Stoldts Ziel. Neben dem Teamtraining, über Kraft- und Athletikeinheiten stehen individuelle Fortschritte auf dem Plan: „Ich spiele auf der Sechs und will schneller nach rechts und links kommen. Ich muss sicher nicht wie eine Flügelspielerin permanent sprinten – aber meine Beweglichkeit auf engstem Raum möchte ich gerne noch verbessern.“ Zumal die zweite Liga deutlich schneller sei: „Ich muss immer gucken: Wo sind meine Mitspielerinnen? Ich bin körperlich stark, aber mein Ziel ist es, mich permanent weiterzuentwickeln: Immer neue Übungen, Ernährung, Schlaf, das gehört alles dazu.“ Spätestens für den erhofften Aufstieg werden diese Ressourcen alle benötigt.

„Das war mega, die anderen zu führen und zu motivieren.“

Svea Stoldt

Und eine große Stadionkulisse wie beim Pokalspiel – die kann auch einschüchtern, oder? Für Svea Stoldt gilt das nicht, sagt sie: „Das hat uns noch mehr gepusht. Wir haben letztes Jahr auch schon im Pokal am Millerntor vor 20.000 Fans gespielt. Bei einer Heimkulisse will ich eher noch besser spielen und allen etwas zurückgeben. Im DFB-Pokal-Halbfinale gegen Werder Bremen werden es wahrscheinlich noch mehr Menschen sein.“ Nur die Geräuschkulisse müsse man ein bisschen einkalkulieren: „In so einem Stadion hört man sich selbst gar nicht, nicht den Trainer, nicht die Mitspielerinnen.“ Das habe sie aber vorher gewusst und trainiert – ein bisschen mehr mit der Gestik zu arbeiten und es dann auch innerhalb des Teams weiterzutragen von den Außenspielerinnen, die nah am Trainer dran sind.

Immer daran glauben, dass noch etwas geht – das kann sie auch ohne Worte vermitteln. |