TRIBÜNE

Neuanfang

Interview: Vera Schankath · Foto: Lucas Wahl

Bier und Wurst in der Kurve

Pünktlich zu seinem fünfzigsten Geburtstag: Marinus Bester verlässt nach zwanzig Jahren in verschiedenen Funktionen den HSV in aller Freundschaft. Jetzt will er das Fansein uneingeschränkt genießen.

Marinus trägt die Raute auf der Brust: Heute wie vor zwanzig Jahren im Spiel St. Pauli II gegen Lüneburger SK.

Marinus, herzlichen Glückwunsch zum Fünfzigsten! Welche Rolle spielt das halbe Jahrhundert für deine Entscheidung, nach zwanzig Jahren deine Arbeit für den HSV zu beenden?

Ich hatte das Gefühl, dass mein Leben noch ein bisschen was neben dem HSV parat haben sollte. Im Verein habe ich viele Veränderungen mitgemacht und mich gefragt: Finde ich mich da noch wieder? Ich habe entschieden: Nicht so unbedingt. Mein Fünfzigster war ein guter Zeitpunkt, um noch mal was anderes zu machen. Ich bin meinem Wesen nach offen für Neues und nicht im Streit gegangen. Alle fanden es schade.

Du machst jetzt die B-Trainer-Lizenz und trainierst den TSV Buchholz 08.

Buchholz ist nicht der Grund, den HSV zu verlassen. Ich gehe, weil ich mich als selbstständiger Spielerberater versuchen will. Mein Engagement beim TSV Buchholz 08 ist weiterhin ein Hobby. Oberliga ist schon toll. Ich habe bisher ohne jede Lizenz die Bezirksliga trainiert. Es hat mir immer superviel Spaß gemacht, mit jungen Leuten erfolgreich zu arbeiten.

Du bist Fan, Spieler, Trainer, Berater – vermischen sich die Rollen?

Ich kann das gut trennen. Als Freiberuflicher kann ich meine Termine so legen, dass sie in den Trainings- und Spielbetrieb passen. Es wird eine schöne Sache ohne Interessenskonflikte.

Wie gehst du als Fan ins Stadion?

Ich bin dann einer von achtzig Millionen Trainern, die es ja in Deutschland gibt, und diskutiere leidenschaftlich mit meinen Leuten. Ich sehe mich lieber auf Stehplätzen als in VIP-Räumen. Aber meine Kuttenzeit in der Westkurve ist vorbei.

Ich stehe auf der Nordtribüne in 27A oder 28A ein bisschen am Rand mit einem gepflegten Bier und einer leckeren Wurst. So kann man sich ganz hervorragend freuen und ganz hervorragend ärgern. Dann gehst du nach dem Spiel einfach nach Hause. Das richtige Fansein hat mir in den letzten zwanzig Jahren gefehlt, weil ich meinen Emotionen nicht freien Lauf lassen konnte.

Deine emotionalen Highlights aus zwanzig aktiven Jahren beim HSV?

Natürlich das 2:0 gegen Bayern 2005. Nach dreißig Sekunden spielt Atouba das Ding Salihamidzic durch die Hosenträger. Oder der Aufstieg mit der Amateurmannschaft in die Regionalliga 2002. Und der Abschied von Collin Benjamin und David Jarolím. Tolle Typen, die nichts beim HSV gewonnen haben. Aber sie haben ihre Liebe für den HSV gezeigt und Liebe zurückbekommen. Absolute Gänsehaut. Auch die Bremer Wochen vor zehn Jahren, als wir alles verbaselt haben, was wir verbaseln konnten, waren sehr emotional. Genauso das 2:9 in München 2013. Als HSV-Fan und HSV-Mitarbeiter hat man es nicht immer leicht, das gehört dazu, das trage ich in mir.

Wie siehst du heute dein Spiel für den Lüneburger SK 1999, als du das 1:0 gegen St. Pauli gemacht und dein HSV-Trikot zum Jubel präsentiert hast?

Damals trug ich immer dieses Shirt. Ich habe mir nicht viel dabei gedacht. Ralf Sievers sah es zwar problematisch, dass ich mit HSV-Shirt unterm LSK-Trikot gegen Pauli spiele, ich finde das aber nach wie vor eine gute Sache. Und das Siegestor habe ich ja geschossen.

Wo siehst du das Derby am 10. März?

Ich bin in dem neuen Stadion von St. Pauli noch nie gewesen, das werde ich wohl fortführen. Ich gucke ganz normal mit meinen Leuten. Es wird mit meiner alten Herrenmannschaft in Hittfeld oder irgendwie auf dem Kiez sein. Ich hoffe, es wird nicht so gähnend langweilig wie das Hinspiel, das war eines Hamburg-Derbys nicht würdig. Und ich hoffe, im Stadion haben die Fans die Überhand, nicht die Idioten. Fußball ist keine Bühne für Wut und Hass.

Was wünscht du dir für dein erstes Jahr über fünfzig?

Ich will gesund bleiben, so optimistisch durchs Leben gehen wie bisher und meine Freundschaften pflegen, die wenigen wirklich wichtigen. Es soll so toll bleiben wie in den letzten fünfzig Jahren.

Und dem HSV wünsche ich einen Titelgewinn, den ich nicht erst im betreuten Wohnen erlebe. Ich will noch mal als Fan mit dem HSV nach Berlin fahren, da ist die Atmosphäre einfach klasse. Pokalfinale wär’ geil. |