TRIBÜNE

Jubiläum

H-H-H HSV

1979 hält der HSV nach 19 Jahren endlich wieder die Meisterschale in den Händen. Zum 40-jährigen Jubiläum des Triumphs berichten drei Zeitzeugen, wie sie ihn erlebten.

Über ein besonderes HSV-Foto

1979 war Volker Behrens in Bielefeld dabei. Ein Foto von ihm und seiner Fahne nach dem Schlusspfiff auf dem Platz begegnet uns heute noch. Es ist zum Beispiel auf der SC-Botschaft und im Volksparkstadion zu finden. Volker erinnert sich.

Wie kam es zu dem Foto mit der Fahne?

Das war am vorletzten Spieltag 1979. Der HSV war zu Gast auf der Bielefelder Alm und gewann die Meisterschaft. Nach dem Schlusspfiff gab es für uns Fans kein Halten mehr und wir sind auf das Spielfeld zum Feiern gestürmt.

Wie hast du dich in dem Moment gefühlt?

Es war ein unbeschreibliches Gefühl. Der HSV hat zwar nur 0:0 gespielt, aber gleichzeitig haben die Stuttgarter als engster Verfolger ihre Partie verloren. Somit sind wir Meister geworden.

Dein Foto wurde in der Vergangenheit ­öfter auf Plakaten und Flyern des HSV abgebildet. Welche Gefühle weckt das so viele Jahre nach dem Triumph?

Ich bin auf jeden Fall sehr stolz, als Fan ein Gesicht dieses Triumphes zu sein. Vor allem, weil es die erste Meisterschaft in der Bundesliga war.

Besuchst du noch oft Spiele des HSV?

Bei den Heimspielen im Volkspark bin ich öfter dabei, auswärts leider seltener.

Wie sah damals eine Auswärtsfahrt aus im Vergleich zur heutigen Zeit?

Die Fahrten waren damals nicht so perfekt organisiert, es gab ja auch kein ­Internet. Ab und zu fuhren die Busse zu langsam oder der Busfahrer verfuhr sich. So waren wir teilweise erst kurz vor Anpfiff im ­Stadion. |

Text: Felix Rehr

Deutscher Meister 1979 im schwarz-weiß-blauen Land

Bis zum Ende der Saison lieferten wir uns ein packendes Duell mit dem VfB. Als wir zu Hause Eintracht schlugen, ahnte noch niemand, dass wir in Bielefeld tatsächlich nach 19-jährigem Darben die Schale in den Händen halten würden.

Bolzen oder Bielefeld

Damals gab es unter den Bundesliga-Fanclubs eigene Spiele. Die Rothosen hatten eine spiel- und trinkfreudige Truppe. Zeitgleich zum Auswärtsspiel in Bielefeld fand in Hannover die deutsche Fanclub-Fußballmeisterschaft statt. Die Gruppenphase überstanden wir erfolgreich und baten, die weiterführenden Spiele tags darauf ausführen zu dürfen, denn verständlicherweise wollten wir schnell nach Bielefeld.

Mit Abpfiff auf den Rasen

Schnell noch ein paar Kaltschalen im legendären Fuchsbau, dann ab auf die altehrwürdige Alm, oldschool mit Gerüstgegengerade. In mörderischer Hitze war schnell klar, dass der Heilige SV auf ein Unentschieden aus war, um dann im letzten Heimspiel gegen Bayern alles klarzumachen. Als dann aber die Spielstände aus Stuttgart von immer mehr Kölner Toren berichteten, brachen alle Dämme. Und mit Abpfiff ab auf den Rasen, um mit der Mannschaft gemeinsam den kolossalen Erfolg zu feiern. Wir machten uns auf den Weg zum Tausendtrinker. Dort wurden alsbald die Biergläser zu klein, sodass wir beschlossen, uns bei den Nachbarn 25-Liter-Putzeimer zu besorgen. Genau die richtige Größe für uns.

Per Polizeibulli in die Kneipe

Die Polizei war damals überaus hilfsbereit, musste nur einmal eingreifen, als die Hauptstraße mit Glas übersät war. Man reichte uns ein paar Besen – damit war die Sache erledigten. Später wollten wir noch zu unseren Bielefelder Freunden, die am Stadtrand eine Kneipe hatten. Doch wie hinkommen? Wieder half die Polizei aus. Freundlicherweise chauffierten sie uns mit ihrem Bulli.

Als langsam die Lichter ausgingen, übernachteten wir in einem mit Matratzen ausgerüsteten Bus eines Bielefelder Kumpels. Tags darauf ging es zurück nach Hannover zum Turnier, wo wir erfuhren, dass wir disqualifiziert waren. Kam uns recht, so hatten wir mehr Zeit, kundzutun, wer deutscher Meister war, mit tüchtiger Unterstützung diverser Getränke. |

Text: Michael Burzlaff

Auf der anderen Seite des Ärmelkanals: Zittern in der roten Zelle

Die erste deutsche Meisterschaft seit 1960 war für mich aus zwei Gründen etwas Besonderes. Erstens war es das erste Jahr in meinem Leben, in dem ich den HSV aus der Ferne beobachten musste, denn 1978 war ich aus beruflichen Gründen nach England gezogen, und zweitens sind wir deutscher Meister geworden.

In meiner neuen Umgebung wurde ich laufend auf Kevin Keegan angesprochen. Er war in England der Superstar schlechthin. Es passierte damals so gut wie gar nicht, dass ein Brite die Insel verließ, um auf dem Kontinent Fußball zu spielen. Es gab Fernsehsendungen, die sich ausschließlich mit ihm und seiner Familie befassten. Dies bedeutete auch, dass der HSV in der britischen Öffentlichkeit große Bekanntheit hatte. Es war sogar möglich, Spielszenen des HSV im Fernsehen zu sehen.

Keegans Dreierpack sah meine Mutter

Die Fluggesellschaften gehörten damals dem Staat. Flüge waren so teuer, dass es nicht möglich war, mal eben für ein Wochenende nach Hause zu fliegen. Heute ist es billiger, nach Hamburg zu fliegen als die Strecke zum Flughafen mit dem Taxi zu fahren. Ich konnte damals nur einmal im Jahr nach Hamburg. Da sich in der Meisterschaftssaison 1979 der 23. Dezember für das letzte Heimspiel der Hinrunde gegen Arminia Bielefeld mit dem Weihnachtsbesuch bei meinen Eltern verbinden ließ, war das der Plan. Leider ließen Schneestürme in Südengland den Flugverkehr zusammenbrechen. Ich kam erst Heiligabend in Hamburg an. Wenigstens haben wir 3:1 gewonnen, mit einem Kevin-Keegan-Dreier­pack. Auch meine Karte wurde benutzt, mein Vater nahm meine Mutter mit.

Ten Pence für die Ergebnisschleife

Das Problem war damals, an Ergebnisse der HSV-Spiele heranzukommen. Deutsche Zeitungen, wenn überhaupt erhältlich, gab es erst Tage später. Internet und Handys gab es nicht. Meine Eltern waren an Wochenenden telefonisch nicht erreichbar. Analoger Radioempfang in London für deutschen Sender war so gut wie gar nicht möglich. Im TV wurden damals nie kontinentaleuropäische Fußballergebnisse bekannt gegeben. Da ich sonnabends in England selbst Fußballspiele besuchte, hätte ich im Radio sowieso keinen Ton mitbekommen.

Jeden Sonnabend das Gleiche, ab 17 Uhr englischer Zeit wurden die Ergebnisse im Telefondienst des Hamburger Toto-Diensts bekannt gegeben. Mit den in der Woche angesammelten Zehn-Pence-Geldstücken ging es in eine der typischen roten Telefonzellen. Immer wieder die gleichen Gedanken: Hoffentlich war die Telefonzelle nicht besetzt, hoffentlich funktionierte das Telefon und hoffentlich hatte ich genug Münzen in der Tasche. Denn wenn man die sich ständig wiederholende Ergebnisschleife zu einem falschen Zeitpunkt erwischte, konnte es passieren, dass man das Ergebnis verpasste. Das Wichtigste: Hoffentlich haben wir gewonnen oder einen wichtigen Auswärtspunkt mitgenommen. Die Leute guckten komisch, wenn ich jubelnd und tanzend aus einer Telefonzelle in eine Londoner „High Street“ lief.

Tanz aus der Telefonzelle

Besonders laut war der Tanz aus der Telefonzelle am 2. Juni 1979. Ich kam aus dem alten Wembley-Stadion, wo Arsenal gerade Manchester United 3:2 im FA Cup geschlagen hatte. In einer Seitenstraße und mit genug Geldstücken in der Tasche fand ich das familiäre rote Konstrukt. Der Anfang der Ergebnisschleife wurde erwischt, dann kam es: „VfB Stuttgart gegen 1. FC Köln 1:4 und Arminia Bielefeld gegen HSV 0:0“ – deutscher Meister 1979! Es wurde ein wesentlich längerer Tanz aus der Telefonzelle als sonst. |