TRIBÜNE

Nachruf

Text: Axel Formeseyn, Jens R. Prüß, Werner Skrentny

Der gründlichste HSV-Dokumentar

Zum Tod von Hartmut Irle (1945–2018).

Veröffentlichungen von Hartmut Irle:

„100 Jahre Fußball in Hamburg“,
darin mit Walter Lang:
„Ein Jahrhundert in Zahlen“.
Hamburg 1994

„Unser HSV“ mit Axel Formeseyn.
Bremen 2008

„Tore, Punkte, Spieler. Die komplette HSV-Statistik“ mit Jens R. Prüß.
Göttingen 2008

Es gibt die Kategorie der Allesfahrer beim HSV und auch solche, die sich Urlaub nehmen, um in Trainingslagern der Profis dabei zu sein.

Auch Hartmut Irle, dem dieser Nachruf gilt, setzte seinen Jahresurlaub für den HSV ein. Und zwar, um akribisch eine höchst zuverlässige HSV-Spielstatistik zu erstellen. Dies geschah auf dem Areal des längst verschwundenen HSV-Stadions am Rothenbaum in einem kleinen Nebengebäude, wo der verstorbene Werner Müller-Storm als Rentner ehrenamtlich das HSV-Archiv betreute. Quartier bezog der Hobbystatistiker stets gleich auf der anderen Straßenseite in einem Hotel.

Hartmut Irle, geboren am 5. Juni 1945, wurde einen Tag vor seinem 14. Geburtstag HSV-Mitglied. Dies nicht in dem Bestreben, im Großverein sportlich aktiv zu werden: Der spätere Postbeamte lebte fernab von Hamburg in Siegen. Man darf annehmen, dass ihn damals wie viele überregionale Anhänger die Uwe-Seeler-Mannschaft und die Tradition des Klubs faszinierte.

In der Nachfolge des ehemaligen „Kicker“-Sportmagazin-Redakteurs Karl-Heinz Jens, dessen Aufzeichnungen im HSV-Archiv im Keller des Volksparkstadions bis heute eine unverzichtbare Quelle darstellen, kümmerte sich der Westfale aus eigener Initiative ehrenamtlich um wirklich jede HSV-Partie. Und er war immer etwas ärgerlich, wenn es ihm in späteren Jahren Schwierigkeiten bereitete, seitens des HSV von einem Freundschaftsspiel in der Provinz Details zu erfahren.

Er war ein leidenschaftlicher Erforscher und Dokumentar der HSV-Geschichte und der gründlichste von allen. Als vor zehn Jahren das Buchprojekt „Tore, Punkte, Spieler“ Gestalt annahm, war klar: Hartmut Irle musste mit ins Boot. Er zögerte, weil sein Interesse eigentlich rein privat war, ließ sich aber schließlich überreden.

Telefonate mit Irle dauerten meistens lange, weil sie sehr ins Detail gingen und weil sich der HSVer mit Leib und Seele intensiv Gedanken über den Verein machte. Lob und Kritik waren pointiert, und ein Blatt nahm er nicht vor den Mund, war immer aktuell informiert und blieb immer höflich.

Ohne das unglaubliche HSV-Wissensarchiv des Hartmut Irle wäre auch das Buch „Unser HSV“ in diesem Umfang niemals möglich gewesen. Er hat den wesentlichen Beitrag geleistet, denn von ihm sind all die unfassbar detaillierten Spielstatistiken, Torschützeninformationen und Daten und Fakten, in denen man heute noch gern herumstöbert, wenn man an deutlich bessere HSV-Zeiten zurückdenken möchte.

In jüngerer Zeit wurden die Telefonate mit dem HSV-Ehrenmitglied seltener. Hartmut Irle, lange schon im vorzeitigen Ruhestand, war krank. Was es genau war, damit ging er diskret um, aber man spürte Müdigkeit.

Wie wir erst jetzt erfahren haben, ist Hartmut Irle am 5. April im Alter von 72 Jahren verstorben. |